„Was wenn ich meine Hände nicht wasche und wir dann alle krank werden?“ – Über Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Zwangsstörungen sind psychische Störungen, die in jedem Alter, also auch bei Kindern und Jugendlichen auftreten können. Zwang und Zwänge im Kindes und Jugendalter sind gekennzeichnet durch anhaltende Zwangsgedanken und -handlungen, die erheblichen Stress verursachen und den Alltag junger Menschen beeinträchtigen können. In diesem Beitrag werden wir einen umfassenden Überblick über Zwangserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen geben, typische Anzeichen der Zwangssymptomatik beschreiben und erläutern, wie positive Veränderungen durch eine professionelle und einfühlsame Behandlung auf den Weg gebracht werden können.

Person wäscht gründlich die Hände mit Seife unter fließendem Wasser.

Was heißt Zwangsstörung und wie zeigt sie sich?

Zwangsstörungen zeichnen sich durch wiederkehrende, unerwünschte Gedanken und Verhaltensweisen aus, die als Zwangsgedanken und Zwangshandlungen bezeichnet werden. Diese Zwangsgedanken können sehr belastend und quälend sein. Sie lösen eine Anspannung aus, die durch Durchführung der Zwangshandlung gelöst wird. Die Zwangsgedanken führen also dazu, dass eine Person das Gefühl hat, bestimmte Rituale oder Routinen unbedingt ausführen zu müssen, etwa um eine drohende Gefahr abzuwenden oder um innere Ruhe zu finden. Beispielsweise können Betroffene glauben, dass das wiederholte Überprüfen von Türen oder das exzessive Händewaschen notwendig ist, um Unheil oder Ansteckung zu verhindern. Diese ritualisierten Handlungen können das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen und können Ausmaße annehmen, in denen Betroffene mehrere Stunden am Tag mit ihren Zwangshandlungen verbringen. So kann sich eine Zwangsstörung auch negativ auf soziale Beziehungen auswirken. Während die Betroffenen häufig unter dem Drang leiden, diese Rituale auszuführen, fühlen sie sich gleichzeitig von ihrer eigenen Psyche gefangen.

Obwohl diese Handlungen oft als ein verzweifelter Versuch unternommen werden, die Angst oder den Stress zu lindern, die durch die Zwangsgedanken hervorgerufen werden, bieten sie nur kurzfristige Erleichterung und können langfristig das Leiden verstärken. Sie verfestigen die Symptomatik der Zwangsstörung und bringen die Betroffenen in einen Teufelskreis aus Angst und Zwangshandlungen, der durch das ständige Bedürfnis, Kontrolle über die Situation zu erlangen, weiter verstärkt wird. Die Suche nach professioneller Hilfe, wie etwa in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie oder Behandlung durch Medikamente, kann der entscheidende Schritt sein, um diesen Kreislauf zu durchbrechen.

Inhalte von Zwangsgedanken können sein:

  1. Angst vor Verunreinigungen oder Keimen
  2. Befürchtungen, anderen Schaden zuzufügen
  3. Übermäßige Sorgen um Ordnung und Symmetrie
  4. Zweifel an persönlichen Entscheidungen oder Handlungen
  5. Gedanken über verbotene oder unangemessene sexuelle Impulse
  6. Angst, etwas Wichtiges zu vergessen oder nicht zu erledigen
  7. Übertriebene religiöse oder moralische Ängste
  8. Gedanken, die sich um Gewalt oder Aggression drehen

Zwangserkrankung – Wie oft gibt es sie bei Kindern und Jugendlichen?

1-2% der Kinder und Jugendlichen leiden unter einer Zwangsstörung. Meistens treten Zwangsstörung nicht alleine, sondern in Kombination mit anderen psychischen Störungen auf. Bei den meisten betroffenen Erwachsenen liegt der Beginn der Erkrankung ebenfalls in der Jugend. Bei Kindern und Jugendlichen treten Zwangsstörungen in verschiedenen Formen auf.

Die häufigsten Zwangsgedanken bei Zwangsstörungen in der Jugend beschäftigen sich mit:

  1. Kontamination: Ein Kind hat Angst, Schmutz oder Keime von anderen Kindern zu bekommen und muss ständig seine Hände waschen.
  2. Anderen oder sich selbst Schaden zufügen: Ein Jugendlicher denkt ständig darüber nach, dass er oder jemand anderes verletzt wird, und traut sich daher nicht in gefährliche Situationen.
  3. Körperbezogene Inhalte: Ein Kind beschäftigt sich übermäßig mit seinem Aussehen und hat Angst, dass etwas an seinem Körper nicht stimmt, obwohl es keine Anzeichen dafür gibt.
  4. Verlust: Ein Jugendlicher hat Schwierigkeiten, sich von alten Gegenständen zu trennen, aus Angst, dass er sie eines Tages braucht, und überfüllt deshalb seine Umgebung.
  5. Religiöse Inhalte: Ein Kind denkt ständig darüber nach, ob es Gottes Regeln richtig befolgt, und sorgt sich, dass es bestraft wird, wenn es einen Fehler macht.
  6. Sexuelle Inhalte: Ein Jugendlicher hat zwanghafte Gedanken über sexuelle Themen und fragt sich ständig, ob seine Gedanken „normal“ sind, was zu Angst und Verwirrung führt.

Die aus den Zwangsgedanken resultierenden häufigsten Zwangshandlungen bei Kindern und Jugendlichen sind:

  1. Waschen: Häufiges Händewaschen oder Reinigen von Gegenständen kann bei Kindern und Jugendlichen zu einer krankhaften Zwangshandlung werden, die als Waschzwang bekannt ist. Diese Zwangshandlung entsteht oft aus der Angst vor Schmutz oder Keimen und kann übermäßig werden, sodass betroffene Kinder regelmäßig ihre Hände waschen müssen, selbst wenn sie nicht schmutzig sind. Dies kann unter anderem auch zu Hautproblemen führen und ihr tägliches Leben erheblich beeinträchtigen.
  2. Wiederholen: Wiederholte Handlungen, wie das Zählen oder Aussprechen von Sätzen, können Zwangshandlung darstellen. Diese Rituale können zur Linderung von Angstgefühlen eingesetzt werden, können aber auch in eine zwanghafte Wiederholung übergehen, die das Kind daran hindert, normal zu funktionieren oder sich auf andere Aktivitäten zu konzentrieren.
  3. Kontrollieren: Zwanghaftes Überprüfen, ob Türen abgeschlossen oder Lichter ausgeschaltet sind, ist ein häufiges Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit Zwangsstörungen. Diese Handlungen bieten kurzfristige Erleichterung von Angst, können aber zu stundenlangen Kontrollen führen, die ihre täglichen Routinen stören und zu sozialer Isolation führen können.
  4. Ordnen: Das Bedürfnis, Dinge in einer bestimmten Reihenfolge anzuordnen kann als Zwangshandlung als beruhigend empfunden werden, führt jedoch häufig dazu, dass Kinder Schwierigkeiten haben, ihre Umgebung zu verlassen oder sich an spontane Aktivitäten anzupassen.
  5. Zählen: Für einige Kinder kann das Zählen zu einer zwanghaften Handlung werden. Zum Beispiel kann ein Kind das Gefühl haben, dass es eine bestimmte Anzahl von Schritten gehen oder bestimmte Dinge zählen muss, um sich sicher zu fühlen.
  6. Horten: Kinder und Jugendliche mit Zwangsstörungen können das zwanghafte Bedürfnis entwickeln, bestimmte Objekte zu horten oder zu sammeln. Diese Zwangshandlung kann aus der Angst resultieren, etwas Wichtiges zu verlieren, was zu extremen Schwierigkeiten bei der Trennung von materiellen Besitztümern führen kann. Dies kann ihr Zuhause überladen und ihre Beziehungen zu Familie und Freunden belasten.

So bemerken Sie Anzeichen von Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Eltern und Betreuer können auf verschiedene Anzeichen achten, die auf eine Zwangsstörung bei Kindern und Jugendlichen hindeuten könnten. Dazu zählen:

  • Ritualisiertes Verhalten: Regelmäßiges Ausführen bestimmter Handlungen oder Rituale, die keinen klaren Zweck haben.
  • Übermäßige Sorgen und Ängste: Intensive Angst vor bestimmten Situationen oder Gedanken, oft ohne logischen Grund.
  • Veränderungen in der Schule: Plötzliche Verschlechterung der schulischen Leistungen oder häufiges Fehlen aufgrund von zwanghaften Gedanken oder Handlungen.
  • Vermeidung bestimmter Situationen: Vermeidungsverhalten, um Zwangsgedanken oder -handlungen zu entgehen. Dies kann zu sozialer Isolation oder Problemen in der Schule führen.
  • Körperliche Symptome: Kopf- oder Bauchschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen oder andere körperliche Beschwerden ohne erkennbare Ursache können auf eine Zwangsstörung hinweisen.

Wenn Eltern oder Betreuer eines Kindes diese Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum bemerken, ist es wichtig, professionelle Hilfe zu suchen und das Kind von einem Psychologen oder Psychiater untersuchen zu lassen.

Vereinbaren Sie jetzt
einen Termin!

  • Für Privatversicherte und Selbstzahler
  • Erwachsene, Kinder & Jugendliche
  • Zeitnaher Therapiebeginn möglich
  • Qualifiziert, wertschätzend, individuell

So verläuft die Behandlung von Zwangsstörungen im Kindes und Jugendalter mit kognitiver Verhaltenstherapie

Eine multimodale Therapie, die also verschiedene Ansätze vereint, ist bei der Behandlung von Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen sinnvoll. Diese kann unter anderem Aufklärung und Beratung, kognitive Verhaltenstherapie, den Einbezug des familiären Umfelds und auch eine medikamentöse Behandlung umfassen. Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als eine wirksame Behandlungsmethode für Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen erwiesen. Sie zielt darauf ab, die zugrunde liegenden Denkmuster und Verhaltensweisen, die zu Zwangsstörungen führen, systematisch zu identifizieren und zu verändern. Ziel ist es, den Patienten zu helfen, besser mit ihren Ängsten umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Zentraler Bestandteil der Therapie ist die Exposition mit Reaktionsverhinderung. Bei dieser Methode wird die betroffene Person schrittweise und kontrolliert mit ihren Zwangsgedanken konfrontiert. Dies geschieht in einem sicheren Umfeld. Entscheidend ist, dass das betroffene Kind keine Möglichkeit erhält, Zwangshandlungen auszuführen und dadurch die Anspannung, die durch die Zwangsgedanken ausgelöst wird, zu beenden. Stattdessen soll die Anspannung ausgehalten werden, denn nur wenn keine Zwangshandlung zur Beruhigung durchgeführt wird, hat das Kind die Möglichkeit zu lernen, dass seine Befürchtungen auch ohne Durchführung der Zwangshandlung nicht eintreten. Durch diese wiederholte Konfrontation mit den angstauslösenden Gedanken wird die Angst nach und nach reduziert, was den Patienten hilft, ihre Zwangsgedanken besser zu bewältigen und Zwangshandlungen einzustellen.

Weitere Techniken, die in der Therapie von Zwangsstörungen typischerweise angewendet werden, umfassen im Verlauf der Therapie außerdem die kognitive Umstrukturierung sowie Achtsamkeits- und Entspannungstechniken.
Die kognitive Umstrukturierungbeinhaltet die Identifikation und Veränderung negativer Denkmuster, die häufig zu Zwangsgedanken führen. Therapeuten arbeiten mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen daran, irrationale Überzeugungen zu erkennen und durch realistische, positive Gedanken zu ersetzen. Dies fördert eine gesündere Denkweise und verringert die Beeinflussung durch die Zwänge im Alltag.
Achtsamkeit und Entspannungstechniken dienen zur Förderung von Achtsamkeit und helfen den Patienten, im Moment präsent zu sein. Zum Beispiel durch Atemübungen oder progressive Muskelentspannung, können Stress und Spannungen abgebaut werden. So erlernen Kinder und Jugendliche die Nutzung von Werkzeugen, um die Kontrolle über ihre Zwangshandlungen zurückzugewinnen und ein Gefühl der Ruhe und Stabilität zu entwickeln.

Wie können Eltern Kinder mit Zwangsstörungen unterstützen?

Eltern sind meist die erste Anlaufstelle für Kinder auf der Suche nach Unterstützung und Verständnis. Neben einer offenen Kommunikation über die Probleme und Ängste des Kindes, ist es wichtig, das Eltern die Zwangshandlungen des Kindes nicht unterstützen. Dies mag schwer fallen, da die Handlungen dem Betroffenen kurzfristig Erleichterung verschaffen, langfristig wird so jedoch die Zwangsstörung verstärkt und eine erfolgreiche Behandlung erschwert. Wenn das Kind bereits eine Psychotherapie macht, können Eltern stattdessen dazu ermutigen, die erlernten Techniken zur Bewältigung von Zwangsgedanken und -handlungen anzuwenden. Geduld und Verständnis sind hilfreich, da Fortschritte Zeit brauchen und Rückschläge trotz aller Bemühungen Teil des Heilungsprozesses sein können.

Fazit

Zwangsstörungen haben Ihren Ursprung häufig im Kinder- oder Jugendalter. Wenn Zwangsgedanken sich über längere Zeit festigen und Zwangshandlungen zur Erleichterung durchgeführt werden kann eine kognitive Verhaltenstherapie helfen. Die Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen und die Bereitstellung von Werkzeugen zur Stressbewältigung spielen eine zentrale Rolle bei der Symptomlinderung und der Entwicklung eines unbeschwerten Lebens. Eltern und Therapeuten sollten eng zusammenarbeiten, um den Betroffenen die bestmögliche Unterstützung zu bieten.