Aufmerksamkeit, Konzentration und Impulssteuerung sind Fähigkeiten, die viele Menschen als selbstverständlich ansehen. Für Erwachsene mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) stellt der Alltag, der diese Fähigkeiten unbedingt erfordert, jedoch oft eine Herausforderung dar. Diese häufig missverstandene Störung ist nicht nur ein Thema bei Kindern und Jugendlichen, sondern kann auch im Erwachsenenalter erhebliche Auswirkungen haben. Was genau ist ADHS, wie äußert sie sich bei Erwachsenen, und welche Möglichkeiten zur Behandlung gibt es? Diese Fragen möchten wir im folgenden Beitrag klären.
Was ist ADHS?
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurobiologische Störung, die vor allem die Symptome Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität kennzeichnet. Die Symptomatik beginnt oft in der Kindheit, kann jedoch auch im Erwachsenenalter fortbestehen und in verschiedenen Lebensbereichen wie Schule, Beruf und sozialen Beziehungen Probleme verursachen. Es ist wichtig zu betonen, dass ADHS keine Charakterschwäche oder eine Frage mangelnder Disziplin ist, sondern eine anerkannte medizinische Diagnose, die auf Dysfunktionen in bestimmten Gehirnregionen basiert. Eine frühzeitige Diagnose und geeignete Therapieansätze, wie die kognitive Verhaltenstherapie oder medikamentöse Behandlungen, können den Betroffenen helfen, besser mit den Symptomen umzugehen und ihre Lebensqualität dadurch deutlich zu verbessern.
Gibt es ADHS im Erwachsenenalter?
Die kurze Antwort lautet: Ja, ADHS betrifft nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene.
Obwohl ADHS bei vielen Kindern und Jugendlichen relativ früh festgestellt wird, kann es auch vorkommen, dass bei manchen Betroffenen erst im Erwachsenenalter eine Diagnose gestellt wird. Häufig liegt dies daran, dass sich die Betroffenen so weit angepasst haben, dass ihre Schwierigkeiten lange unerkannt bleiben. Im Erwachsenenalter äußert sich ADHS oft anders als bei Kindern – beispielsweise durch Konzentrationsprobleme, Impulsivität, emotionale Dysregulation oder Schwierigkeiten im Arbeitsleben und in sozialen Beziehungen. Studien zeigen, dass etwa 2-4 % der Erwachsenen weltweit von ADHS betroffen sind. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie können jedoch helfen, den Alltag besser zu bewältigen und die Lebensqualität erheblich zu verbessern.
ADHS Diagnose bei Erwachsenen: Symptome einer ADHS
Die Symptome von ADHS können sich mit der Zeit verändern und unterschiedlich ausgeprägt sein, je nach Alter und Lebensumständen. Während bei Kindern häufig Hyperaktivität im Vordergrund steht, verlagern sich die Symptome bei Erwachsenen oft, sodass Unaufmerksamkeit und Impulsivität dominieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass ADHS auch im Erwachsenenalter erhebliche Auswirkungen auf das tägliche Leben haben kann. Zu den häufigsten Symptomen bei Erwachsenen zählen:
Unaufmerksamkeit:
- Erwachsene mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit über längere Zeit auf eine Aufgabe zu richten. Dies kann sich in häufigem Tagträumen, dem Vergessen von Terminen oder anderen alltäglichen Verpflichtungen äußern. Auch das Verlieren von Gegenständen, wie Schlüsseln oder wichtigen Dokumenten, gehört dazu.
Impulsivität:
- Unüberlegtes Handeln ist ein typisches Merkmal von ADHS. Dies kann sich in spontanen Entscheidungen äußern, die später bereut werden, oder in Schwierigkeiten, die eigenen Emotionen zu kontrollieren. Menschen mit ADHS neigen außerdem zu Ungeduld, was sich sowohl im beruflichen als auch im persönlichen Umfeld bemerkbar machen kann. Sie könnten z. B. andere häufig unterbrechen oder Schwierigkeiten haben, auf eine Antwort zu warten.
Desorganisation:
- Probleme bei der Planung und Organisation sind häufig. Erwachsene mit ADHS kämpfen oft damit, Aufgaben rechtzeitig zu erledigen, Prioritäten richtig zu setzen oder strukturiert zu arbeiten. Dies kann den Alltag erheblich erschweren, insbesondere wenn viele verschiedene Verpflichtungen jongliert werden müssen.
Innere Unruhe:
- Auch wenn die körperliche Hyperaktivität im Erwachsenenalter oft nachlässt, berichten viele Betroffene von einem anhaltenden Gefühl der inneren Unruhe oder Rastlosigkeit. Dieses Gefühl kann sich in Schwierigkeiten äußern, sich zu entspannen oder still zu sitzen, was das Stresslevel zusätzlich erhöhen kann.
Emotionale Schwierigkeiten:
- Erwachsene mit ADHS sind oft besonders empfindlich gegenüber Kritik und erleben Emotionen intensiver. Dies kann zu plötzlichen Stimmungsschwankungen oder Schwierigkeiten führen, Stress und Frustration zu bewältigen. Beziehungen, sowohl beruflich als auch privat, können darunter leiden.
Die ADHS Symptomatik unterscheidet sich individuell und je nach betroffener Person sind verschiedene Symptombereiche unterschiedlich stark ausgeprägt.
Abgrenzung zu anderen Störungsbildern
Eine klare Abgrenzung von ADHS zu anderen psychischen Krankheitsbildern, wie beispielsweise Traumafolgestörungen oder Angststörungen, ist essenziell, da sich die Symptome in manchen Fällen überlappen können. Während ADHS vor allem durch Aufmerksamkeitsprobleme, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet ist, stehen bei Traumafolgestörungen oft Flashbacks, emotionale Überreizung, Vermeidungsverhalten und Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von belastenden Erlebnissen im Vordergrund. Angststörungen wiederum manifestieren sich häufig durch anhaltende Sorgen, Panikattacken oder ein starkes Vermeidungsverhalten. Eine fundierte Diagnostik durch geschulte Fachkräfte ist entscheidend, um die genauen Ursachen und Ausprägungen der Symptome zu identifizieren und die passende Behandlung einzuleiten. Nur so können Fehldiagnosen vermieden und individuell abgestimmte Therapieansätze entwickelt werden.
Ist ADHS heilbar?
ADHS ist keine Erkrankung, die „geheilt“ werden kann, da sie auf einer grundlegenden neurologischen Struktur basiert. Sie begleitet Betroffene ein Leben lang und beeinflusst verschiedene Bereiche des Alltags, von der Aufmerksamkeit und Konzentration bis hin zur Emotionsregulation. Dennoch gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, mit der Störung umzugehen und die Symptome wirksam zu lindern. Dazu gehören Verhaltenstherapie, Medikamente, Coaching und Selbsthilfestrategien, die individuell erprobt werden können. Mit der richtigen Unterstützung, sei es durch Fachkräfte, Familie oder Freunde, können viele Erwachsene mit ADHS ein erfülltes und erfolgreiches Leben führen und ihre Stärken gezielt nutzen.Es ist dabei hilfreich, sich bewusst zu machen, dass ADHS nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine andere Art der Wahrnehmung und Denkweise sein kann, die, richtig unterstützt, auch Stärken hervorbringen kann.
Wie können erwachsene Menschen besser mit ADHS umgehen?
Der Umgang mit ADHS erfordert oft eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen, um sowohl die Herausforderungen zu bewältigen als auch die persönlichen Stärken besser nutzen zu können:
- Aufklärung: Informationen über ADHS zu sammeln, hilft, die Symptome besser zu verstehen und individuell darauf einzugehen. Dies betrifft nicht nur die betroffene Person selbst, sondern auch das Umfeld, wie Familie, Freunde und Kollegen, die durch Wissen und Verständnis effektiver unterstützen können.
- Struktur: Klare Routinen und eine gut organisierte Umgebung sind entscheidend, um Ablenkungen zu minimieren und den Alltag besser zu meistern. Dies kann durch To-do-Listen, Kalender und visuelle Hilfsmittel unterstützt werden, die dabei helfen, Prioritäten zu setzen und den Überblick zu behalten.
- Achtsamkeit: Techniken wie Meditation, Atemübungen oder Achtsamkeitstraining sind besonders hilfreich, um die Konzentration zu verbessern und innere Unruhe zu reduzieren. Regelmäßige Übungen können langfristig dazu beitragen, besser mit Stress umzugehen und einen Moment der Ruhe im hektischen Alltag zu schaffen.
- Körperliche Aktivität: Sport und Bewegung sind nicht nur gut für die Gesundheit, sondern spielen auch eine wichtige Rolle im Umgang mit ADHS. Aktivitäten wie Joggen, Tanzen oder sogar Yoga helfen dabei, überschüssige Energie abzubauen, Stress zu lindern und die geistige Klarheit zu fördern. Schon kleine Bewegungsphasen im Alltag können eine positive Wirkung zeigen.
- Unterstützung: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann enorm wertvoll sein. Selbsthilfegruppen, Online-Foren oder spezialisierte Coaches bieten nicht nur praktische Tipps, sondern auch einen Raum, in dem man sich verstanden und weniger allein fühlt. Hier können Erfahrungen geteilt und gemeinsam Lösungsansätze entwickelt werden, die den Alltag erleichtern.
Dieser ganzheitliche Ansatz kann helfen, die Herausforderungen von ADHS besser zu bewältigen und gleichzeitig die persönlichen Stärken und Potenziale zu fördern.
ADHS im Erwachsenenalter in der kognitiven Verhaltenstherapie behandeln
Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich als äußerst effektiv bei der Behandlung von ADHS bei Erwachsenen erwiesen. Sie konzentriert sich darauf, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern, während gleichzeitig praktische Strategien zur Bewältigung des Alltags entwickelt werden. Zu den Bestandteilen einer Psychotherapie bei ADHS können gehören:
- Symptommanagement: Wie können Sie Ablenkungen minimieren und Ihre Aufmerksamkeit auf das Wesentliche lenken? Hierbei geht es um praktische Tipps und Werkzeuge, die helfen, störende Einflüsse zu reduzieren und den Fokus gezielt zu steuern.
- Zeitmanagement: Techniken zur besseren Organisation, um Deadlines einzuhalten und Überwältigung zu vermeiden. Dazu gehören Strategien wie die Priorisierung von Aufgaben, die Nutzung von Kalendern und To-do-Listen sowie das Erlernen realistischer Zeitplanung.
- Impulskontrolle: Strategien, um impulsives Verhalten besser zu regulieren. Dies beinhaltet das Erkennen von Triggern und das Einüben von Methoden, um vor impulsivem Handeln innezuhalten und reflektierter zu reagieren.
- Selbstwertgefühl stärken: Der Umgang mit den emotionalen Herausforderungen von ADHS, wie Kritikempfindlichkeit und Selbstzweifel. Hierbei lernen Betroffene, ihre Stärken zu erkennen und ihr Selbstbewusstsein durch positive Selbstgespräche und Erfolge aufzubauen.
- Emotionsregulation: Lernen, intensive Emotionen wahrzunehmen, zu akzeptieren und konstruktiv zu steuern. Hierbei helfen Strategien wie Atemübungen, Achtsamkeitstechniken und das Üben von Gelassenheit in emotional aufgeladenen Situationen.
- Problemlösungskompetenz: Entwickeln von Strategien, um Herausforderungen systematisch anzugehen und Lösungen zu finden. Dazu gehört, Probleme in kleinere Schritte aufzuteilen, systematisch vorzugehen und kreative Lösungsansätze zu entwickeln.
- Stressmanagement: Techniken wie Achtsamkeit und Entspannung, um Stress effektiv zu reduzieren. Dies umfasst Methoden wie progressive Muskelentspannung, Meditation und das bewusste Schaffen von Ruhepausen im Alltag.
- Förderung von Routinen: Aufbau stabiler Tagesstrukturen, die bei der Organisation und Konzentration helfen. Routinen erleichtern den Alltag, schaffen Orientierung und reduzieren die mentale Belastung durch wiederkehrende Entscheidungen.
- Kommunikationsfähigkeiten: Verbesserung der sozialen Interaktion und Klärung von Missverständnissen. Dazu gehören das aktive Zuhören, das Üben klarer Ausdrucksweise und der Umgang mit Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen.
- Motivationsförderung: Methoden, um Prokrastination zu überwinden und Aufgaben konsequent zu erledigen. Dies beinhaltet das Setzen realistischer Ziele, das Aufteilen von Aufgaben in kleinere Schritte und das Belohnen von Fortschritten als Anreiz. Ein erfahrener Therapeut kann den Betroffenen helfen, individuelle Ziele zu setzen und Methoden zu entwickeln, die genau auf ihre Lebenssituation zugeschnitten sind.
Fazit
ADHS beschränkt sich nicht auf die Kindheit und Jugend sondern begleitet Betroffene ein Leben lang. Mit dem Alter verschiebt sich die Symptomausprägung in der Regel. Jeder geht individuell anders mit ADHS um. Es gibt umfangreiche Unterstützungsangebote, die den Umgang mit Herausforderungen im Alltag erleichtern können und Betroffenen helfen sich individuelle Stärken zu Nutze zu machen. Ob durch Therapie, Strategien zur Selbsthilfe oder den Austausch mit einer unterstützenden Gemeinschaft – es gibt viele Wege, ein erfülltes Leben mit ADHS zu führen.
Wenn Sie das Gefühl haben, von ADHS betroffen sein zu können, zögern Sie nicht unsere professionelle Beratung und Unterstützung in der Privatpraxis für Psychotherapie Blawath&Nachtsheim in Bonn-Beuel oder Köln in Anspruch zu nehmen. Gerne besprechen wir mit Ihnen Möglichkeiten der Unterstützung und Bereiche, die sie optimieren möchten. Ihre Lebensqualität kann davon profitieren und es ist nie zu spät, den ersten Schritt zu gehen.