Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Viele Eltern machen sich Sorgen um das Wohlbefinden ihrer Kinder und suchen professionelle Hilfe. Doch ab welchem Alter kann eine Psychotherapie überhaupt in Betracht gezogen werden? Dieser Beitrag bietet umfassende Informationen zu häufigen psychischen Erkrankungen, deren Altersverteilung sowie zu den Faktoren, die beeinflussen, wann eine Psychotherapie sinnvoll ist.
Was sagt die Psychotherapie Richtlinie?
Die Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) regelt die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland und enthält spezifische Vorgaben zur Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen. Hier sind einige zentrale Punkte:
1. Indikation und Zielsetzung
- Psychotherapie ist indiziert, wenn eine psychische Störung mit Krankheitswert vorliegt.
- Die Behandlung soll psychische Erkrankungen lindern oder heilen und die altersgerechte Entwicklung fördern.
2. Behandlungsformen
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Analytische Psychotherapie
- Verhaltenstherapie
- Systemische Therapie (seit 2020 für Kinder und Jugendliche zugelassen)
3. Besonderheiten der Behandlung
- Elternarbeit: Eltern oder Bezugspersonen sollen in den Behandlungsprozess einbezogen werden, soweit es für den Therapieerfolg nötig ist.
- Diagnostik: Eine fundierte Diagnostik ist erforderlich, oft mit standardisierten Verfahren.
- Altersgrenze: Die Behandlung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres möglich.
4. Antrags- und Genehmigungsverfahren
- Es gibt probatorische Sitzungen zur Diagnostik und Behandlungsplanung.
- Danach muss bei der Krankenkasse ein Antrag auf eine bestimmte Anzahl an Sitzungen gestellt werden.
- Die Anzahl der bewilligten Stunden hängt von der Therapieform ab.
5. Spezielle Regelungen
- Bei unter 15-Jährigen ist die Zustimmung der Sorgeberechtigten erforderlich.
- Ab 15 Jahren kann der Jugendliche unter bestimmten Voraussetzungen selbst in die Therapie einwilligen.
- In Ausnahmefällen sind auch therapeutische Maßnahmen ohne Zustimmung der Eltern möglich, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.
Wie häufig sind psychische Erkrankungen bei einem Kleinkind, Kindern und Jugendlichen?
Psychische Erkrankungen sind keine Seltenheit bei Kindern und Jugendlichen und stellen eine große Herausforderung für die Gesellschaft dar. Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigt etwa jedes fünfte Kind in Deutschland psychische Auffälligkeiten. Diese Probleme können das Wohlbefinden, die schulische Leistung und die soziale Interaktion der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Die Häufigkeit und Art der Erkrankungen variieren je nach Altersgruppe und Entwicklungsphase, was die Wichtigkeit einer altersgerechten Diagnose und Behandlung unterstreicht.
- Kinder im Vorschulalter (3-6 Jahre): In diesem Alter können erste Anzeichen von Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsstörungen sichtbar werden. Dazu zählen z. B. extreme Trotzreaktionen, Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung oder Probleme im sozialen Umgang mit Gleichaltrigen. Eine frühzeitige Unterstützung durch pädagogische Fachkräfte oder einen psychologischen Psychotherapeuten (häufig einfach Psychologe, Psychotherapeut oder Jugendlichenpsychotherapeut genannt) kann hier hilfreich sein.
- Grundschulalter (6-10 Jahre): Bei Grundschulkindern tritt häufig ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) auf, das durch Konzentrationsprobleme, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet ist. Angststörungen, wie z. B. Trennungsangst oder Schulangst, beginnen sich ebenfalls in diesem Alter zu zeigen und können den Alltag der Kinder stark belasten. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrkräften und Fachleuten wichtig, um geeignete Maßnahmen zur Unterstützung zu finden.
- Jugendliche (10-18 Jahre): In der Jugendzeit nehmen psychische Erkrankungen wie Depressionen, Essstörungen (z. B. Anorexie oder Bulimie) und soziale Ängste deutlich zu. Jugendliche stehen oft unter großem Druck, sowohl schulisch als auch sozial, was zu einem erhöhten Stresslevel und einer größeren Anfälligkeit für psychische Erkrankungen führen kann. Mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko für Suchterkrankungen, wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch, die häufig als Bewältigungsstrategie für ungelöste Probleme genutzt werden. Hier ist eine gezielte Prävention und Aufklärung besonders wichtig.
Diese Entwicklungen zeigen, dass psychische Probleme nicht auf ein bestimmtes Alter begrenzt sind, sondern sich in verschiedenen Lebensphasen der Kinder unterschiedlich äußern können. Es ist essenziell, frühzeitig auf Warnsignale zu achten und Unterstützung anzubieten, um langfristige Folgen zu vermeiden. Eltern, Lehrkräfte und Fachpersonen spielen eine zentrale Rolle, um betroffenen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu notwendiger Hilfe zu erleichtern und ihnen einen Weg zu einem gesunden und ausgeglichenen Leben zu ermöglichen.

Welche psychischen Erkrankungen treten bei Kindern und Jugendlichen am meisten auf?
Die häufigsten Diagnosen bei Kindern und Jugendlichen umfassen:
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung): Diese Störung tritt vor allem im Grundschulalter auf und zeigt sich durch Probleme, sich längere Zeit zu konzentrieren, impulsive Verhaltensweisen und übermäßige Aktivität. Kinder mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, Regeln einzuhalten oder still zu sitzen, was sowohl in der Schule als auch im sozialen Umfeld zu Herausforderungen führen kann.
- Angststörungen: Dazu gehören unter anderem Trennungsangst, soziale Phobie und spezifische Phobien wie die Angst vor Tieren, Dunkelheit oder bestimmten Situationen. Angststörungen entwickeln sich häufig schon im frühen Kindesalter und können die emotionale und soziale Entwicklung erheblich beeinträchtigen. Kinder ziehen sich oft zurück oder vermeiden bestimmte Aktivitäten, die sie beängstigend finden, was die Problematik noch verstärkt.
- Depressionen: Depressionen sind bei Kindern schwerer zu erkennen, da die Symptome sich von denen bei Erwachsenen unterscheiden können. Häufig äußern sie sich durch Reizbarkeit, sozialen Rückzug, Schlafprobleme oder ein vermindertes Interesse an Aktivitäten, die früher Freude bereitet haben. Sie werden oft erst im Jugendalter diagnostiziert, obwohl sie auch schon bei jüngeren Kindern auftreten können. Unbehandelt können Depressionen das Selbstwertgefühl und die schulischen Leistungen stark beeinträchtigen.
- Essstörungen: Essstörungen wie Anorexie (Magersucht) und Bulimie treten vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, betreffen jedoch zunehmend auch jüngere Altersgruppen. Diese Störungen zeichnen sich durch ein gestörtes Essverhalten, eine übermäßige Beschäftigung mit dem Körpergewicht und ein negatives Selbstbild aus. Sie können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben und erfordern eine intensive Behandlung.
- Traumatische Belastungsstörungen: Diese entstehen als Reaktion auf belastende oder traumatische Ereignisse, beispielsweise Missbrauch, Unfälle oder den Verlust eines geliebten Menschen. Die Symptome reichen von Albträumen und Flashbacks bis hin zu Vermeidungsverhalten und anhaltendem Stress. Traumatische Belastungsstörungen können in jedem Alter auftreten und beeinflussen oft das gesamte Verhalten und Wohlbefinden der Betroffenen.
Bei allen psychischen Erkrankungen hilft frühzeitige Erkennung und gezielte Unterstützung, um die Entwicklung und Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu fördern.
Ab welchem Alter macht eine Psychotherapie Sinn?
Es gibt keine einheitliche Altersgrenze für den Beginn einer Psychotherapie. Vielmehr hängt dies von mehreren Faktoren ab, die individuell abgewogen werden müssen, damit die Therapie optimal auf das Kind abgestimmt ist:
1. Entwicklungsstand des Kindes
Der Entwicklungsstand eines Kindes spielt eine zentrale Rolle bei der Wahl des geeigneten Therapieansatzes. Jüngere Kinder verfügen häufig noch nicht über die kognitiven Fähigkeiten, die für bestimmte Therapieansätze, wie etwa die kognitive Verhaltenstherapie, notwendig sind. Daher kommen bei ihnen oft spieltherapeutische Ansätze zum Einsatz, die speziell auf ihre Entwicklungsstufe zugeschnitten sind. Über das Spiel können Kinder ihre Gefühle und Probleme ausdrücken, ohne sie in Worte fassen zu müssen. Bei älteren Kindern und Jugendlichen hingegen können Gesprächstherapien oder kreative Methoden wie Kunst- oder Musiktherapie besser geeignet sein, da diese oft bereits in der Lage sind, ihre Gedanken und Emotionen differenzierter zu beschreiben.
2. Art der psychischen Erkrankung
Die Art der psychischen Erkrankung ist ein weiterer entscheidender Faktor. Einige Störungen, wie ADHS oder Angststörungen, treten häufig bereits im frühen Kindesalter auf und können oft schon im Vorschulalter behandelt werden. Hierbei wird gezielt auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen, um Symptome zu lindern und das Wohlbefinden zu steigern. Andere psychische Erkrankungen, wie etwa Depressionen, kommen zwar auch bei Kindern vor, erfordern jedoch häufig ein gewisses Maß an emotionaler und kognitiver Reife, um die Problematik umfassend aufarbeiten zu können. Darüber hinaus gibt es Störungen, die sich erst in der Adoleszenz deutlicher zeigen, wie z. B. Essstörungen, bei denen ein gezieltes psychotherapeutisches Vorgehen notwendig ist.
3. Familiäres Umfeld
Das familiäre Umfeld spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg einer Psychotherapie, insbesondere bei jüngeren Kindern. In vielen Fällen ist die enge Einbindung der Familie der jungen Patienten und Patientinnen unerlässlich, um nachhaltige Fortschritte zu erzielen. Eltern können lernen, unterstützend mit den Herausforderungen des Kindes umzugehen, etwa durch Elternberatung, bei der sie über die psychischen Probleme des Kindes sowie über hilfreiche Umgangsstrategien informiert werden. Auch Familiengespräche können Teil der Therapie sein, um die Kommunikation innerhalb der Familie zu verbessern und Konflikte zu lösen. Bei älteren Kindern oder Jugendlichen wird die Familie zwar häufig auch einbezogen, jedoch kann hier der Fokus stärker auf die Selbstständigkeit des Jugendlichen gelegt werden.
4. Individuelle Bedürfnisse
Jedes Kind ist einzigartig, und so sind es auch seine Bedürfnisse. Manche Kinder äußern ihre Probleme durch Worte, während andere nonverbal kommunizieren, etwa durch Verhalten, Zeichnungen oder körperliche Symptome. Ein erfahrener Therapeut wird die individuellen Ausdrucksformen und Bedürfnisse des Kindes berücksichtigen und das passende Therapieformat auswählen, unabhängig vom Alter. Dies könnte bedeuten, dass ein Kind, das Schwierigkeiten hat, über seine Gefühle zu sprechen, von kreativen Therapieansätzen wie Musiktherapie oder Maltherapie profitiert. Für Kinder, die eher zum Rückzug neigen, können hingegen Ansätze wie Gruppentherapie hilfreich sein, um soziale Fähigkeiten zu stärken und ein Gefühl von Gemeinschaft zu fördern.
Insgesamt gibt es keine starre Regel für das „richtige“ Alter, um eine Psychotherapie zu beginnen. Vielmehr ist es wichtig, das Kind und sein Umfeld ganzheitlich zu betrachten, um eine individuell passende Unterstützung zu gewährleisten. Ein frühzeitiges Eingreifen kann jedoch oft dazu beitragen, schwerwiegendere Probleme zu verhindern und dem Kind die bestmögliche Entwicklung zu ermöglichen.
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie – Fazit
Eine Psychotherapie bei einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten kann in jedem Alter sinnvoll sein, wenn sie auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes oder Jugendlichen abgestimmt ist. Wichtig ist, Symptome frühzeitig zu erkennen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eltern, die sich über die psychische Gesundheit ihrer Kinder Sorgen machen, müssen nicht zögern, einen Experten zu konsultieren. Denn je früher Probleme behandelt werden, desto besser sind die Aussichten auf eine positive Entwicklung und den längerfristigen Profit auch im späteren Leben,
Haben Sie noch Fragen zur Psychotherapie für Kinder und Jugendliche? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, wir beantworten gerne Ihre Fragen und beraten Sie individuell und unverbindlich.